Scheitern mit Ansage! Warum Geringverdiener weiter auf die Grundrente warten werden.
Berlin, 27.01.2020
Fehler bei der Vorbereitung und Mangel an Einsicht werden den Start der Grundrente deutlich verzögern.
Bei einer Anhörung im BMAS wurde am Mittwoch, den 22. Januar 2020 in Berlin der Gesetzentwurf zur Grundrente vorgestellt. Trotz der ausdrücklichen und grundsätzlichen Zustimmung zu dem Vorhaben, hat auch der Bundesverband der Rentenberater e.V. einige kritische Punkte angesprochen und Verbesserungsvorschläge eingebracht. Allerdings wurden die eingebrachten Vorschläge lediglich zur Kenntnis genommen, Änderungen seien „wegen der Kürze der Zeit“ bis zur Abstimmung im Parlament nicht mehr vorgesehen.
Nun zeichnet sich zwar eine Fristverlängerung bis Mitte Februar ab; nach Auffassung des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. sind wichtige Nachbesserungen in so kurzer Zeit aber kaum einzuarbeiten.
Systemfehler 1 – Verspätete Auszahlung nach 2 oder 3 Jahren
Der Bundesverband der Rentenberater e.V. hat den BMAS in seiner Stellungnahme auf ein grundlegendes Verfahrensproblem hingewiesen.
Wenn bei Rentenbeginn erstmals geprüft wird, ob ein Anspruch auf Grundrente besteht, soll dafür ausschließlich der vorletzte Steuerbescheid des Versicherten herangezogen werden. Liegt der Bruttoverdienst im geprüften Jahr innerhalb einer Toleranz über der Einkommensgrenze von 15.000 EUR, geht der Versicherte leer aus und bekommt beim Eintritt in die Rentenphase (zunächst) nur die Minirente ohne den Grundrentenzuschuss.
Im Folgejahr wird wieder geprüft; dieses Mal ausschließlich mit dem Steuerbescheid des letzten Arbeitsjahres. Hat der Versicherte auch hier mehr als 15.000 EUR verdient, bekommt er wieder keine Grundrente.
Erst wenn der Steuerbescheid seines ersten Jahres als Rentner vorliegt, kann er nachweisen, was der Rentenversicherung längst klar ist: Dass Anspruch auf Grundrente besteht, er aber u.U. seit zwei Jahren von der Grundsicherung lebt.
„Die letzten Berufsjahre sind häufig die einkommensstärkeren Jahre. Wenn der Anspruch auf Grundrente nun ausschließlich über das Einkommen aus diesen Jahren geprüft wird, stehen viele Menschen, die auf die Grundrente angewiesen wären, erst mal mit leeren Händen da. Und sie bekommen auch keinen Cent nachträglich, obwohl sie zwei Jahre mit ihrer Minirente bzw. mit Grundsicherung überbrücken mussten.“
„Das hat mit dem eigentlichen Ziel der Grundrente als ‚Respekt-Rente‘ nichts zu tun.“, betont die Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater e.V., Anke Voss.
Die dringliche Anregung, diesen Systemfehler zu korrigieren, blieb in der Anhörung leider unbeachtet.
Systemfehler 2 – Mutterschutz, freiwillige Beitragszeiten und Arbeitslosigkeit
Der Bundesverband der Rentenberater e.V. kritisiert außerdem, dass Zeiten des Mutterschutzes bei der Grundrente nicht berücksichtigt werden.
„Wenn du schwanger bist, gibt es ein Beschäftigungsverbot, d.h. du musst aufhören zu arbeiten. Der Schutz der Mütter, die Fürsorge für die Kinder sind in Deutschland ein hohes Gut. Aber wenn diesen Müttern später zur Grundrente unter Umständen genau diese entscheidenden Wochen fehlen, dann ist das einfach ungerecht.“
Auch dafür, dass Zeiten mit freiwilligen Beiträgen im Gesetzentwurf nicht in die Grundrentenzeiten eingerechnet werden, gibt es nach Auffassung des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. keinen sachlichen Grund.
„Wer für bestimmte Zeiträume freiwillig versichert war, hat sich versicherungskonform verhalten; darf also nicht benachteiligt werden.“, sagt Voss.
Gleiches gilt für Zeiten der Arbeitslosigkeit. Hier wurden z.T. ebenfalls Rentenbeiträge entrichtet. Und die Lebensarbeitsleistung der Menschen, die nur kurzzeitig und häufig unverschuldet ohne Beschäftigung waren, muss selbstverständlich ebenfalls gewürdigt werden.
Systemfehler 3 – Erwerbsminderungsrenten
Unverständlich ist auch, dass im aktuellen Entwurf die Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrenten nicht berücksichtigt wird.
„Nur weil jemand unverschuldet krank geworden ist, soll seine Lebensleistung nicht entsprechend gewürdigt werden, wenn er die Voraussetzungen für die Grundrente erfüllt? Das kann der Gesetzgeber nicht wollen.“
Systemfehler 4 – Automatisierter Datenabgleich
Auch auf die drängendsten Fragen zum automatisierten Datenabgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern gab es keine zufriedenstellenden Antworten.
„Außer dem Hinweis, die Absprachen mit den Finanzbehörden würden laufen, gibt es keine Informationen dazu, wie das umgesetzt werden soll.“, wundert sich Voss. „Einen solchen automatischen Abgleich hat es bisher noch nie gegeben und wir haben den Eindruck, da soll etwas durchgepeitscht werden, was technisch noch gar nicht gelöst ist.“
Zudem hält der Bundesverband der Rentenberater e.V. eine automatisierte Einkommensabfrage – ohne Zustimmung oder Widerspruchsregelung der Betroffenen – für datenschutzrechtlich fragwürdig.
„Auf unsere Frage, ob denn z. B. bei getrennt veranlagten Ehepartnern Daten ohne Zustimmung der Betroffenen ‚einfach‘ ausgetauscht werden dürfen, gibt es keine schlüssige Antwort.“, stellt Voss fest.
Es dürfte darüber hinaus kaum vermittelbar sein, warum bei Ehepartnern die Daten abgeglichen werden sollen, bei unverheirateten Paaren aber nicht.
Fazit
Alle angesprochenen Punkte machen es nach Auffassung des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. nicht nur unwahrscheinlich, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form vom Parlament akzeptiert wird.
In der vorliegenden Fassung wird die Grundrente ihrem Anspruch, wichtiges Instrument zur Sicherung des auskömmlichen Lebens im Alter zu sein, nicht ausreichend gerecht.
Die handwerklichen Fehler, die der Entwurf aktuell noch enthält, würden vor allem zu Lasten der Versicherten gehen.