23.04.2024

Ostdeutsche Wehrdienstleistende werden bei der Rente benachteiligt.

Wilfried S., Jahrgang 1955, hat vom 01.11.1973 bis 30.04.1975, wie die meisten seiner Altersgenossen auch, seinen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR abgeleistet. Seit November 2020 bezieht S. Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung. Dabei wird auch seine Wehrdienstzeit angerechnet. Für ein Jahr Wehrdienst berücksichtigt die Rentenversicherung 0,75 Entgeltpunkte, für den 18-monatigen Grundwehrdienst gibt es also 1,125 Entgeltpunkte, was einer monatlichen Bruttorente von 42,30 EUR entspricht.

Hätte er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet, so hätte er pro Jahr einen ganzen Entgeltpunkt, für 18 Monate also 1,5 Entgeltpunkte bekommen. Differenz monatlich: 14,10 EUR.

„Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch kaum zu erklären“, sagt Rentenberater Christian Lindner aus Dresden, den Wilfried S. mit der Prüfung seines Rentenbescheides beauftragt hatte.

„Wehrdienstleistende in Ost wie West haben entsprechend der jeweiligen Wehrpflichtvorschriften Wehrdienst geleistet. Ich kann nichts erkennen, was eine rentenrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte und halte das für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.“

Das Bundesverfassungsgericht konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. Mit Beschluss vom 30.11.2023 (Az.: 1 BvR 1509/23) hat es die gegen die Ungleichbehandlung gerichtete Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen.

Für Rentenberater Lindner nicht nachvollziehbar: „Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung maßgeblich darauf ab, dass für Wehrdienstzeiten bei der Bundeswehr Beiträge gezahlt worden seien, für Zeiten des Wehrdienstes bei der NVA jedoch nicht. Die Beiträge West haben aber nicht die Versicherten selbst, sondern der Bund gezahlt. Die Lebensumstände für Wehrdienstleistende Ost und West sind aber absolut vergleichbar. Der Wehrdienst war in beiden Fällen alternativlos und das sollte Grundlage für die Gleichbehandlung sein.“

Auch aus gesellschaftspolitischer Sicht hält der Dresdner Rentenberater die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für problematisch.
„Dass Ostdeutsche in Deutschland Bürger zweiter Klasse sind, glauben in Sachsen immerhin 60 % der Bevölkerung“, verdeutlicht Lindner.

„Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können solche Stimmungslagen, wenn auch unbeabsichtigt, gefestigt oder sogar verstärkt werden.“

Nachdem das Gericht so entschieden hat, kann nur noch die Politik die rentenrechtliche Benachteiligung der NVA-Wehrdienstleistenden durch eine entsprechende Gesetzesänderung beseitigen.

Betroffen von der Problematik sind übrigens nur diejenigen, die ihren Wehrdienst in der NVA bis zum Jahr 1981 geleistet haben. Ab 1982 gibt es auch für Wehrdienst bei der Bundeswehr nur noch 0,75 Entgeltpunkte/Jahr, so dass hier keine Ungleichbehandlung mehr vorliegt.

Rentenberaterinnen und Rentenberater stehen ihren Mandanten als unabhängige Experten zur Seite und können Versicherte bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Deutschen Rentenversicherung auch vor Gericht vertreten.

Unter www.rentenberater.de finden Betroffene Unterstützung in ihrer Region.

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