Reformstau bei der Rente – Regierung und Opposition lassen Kernfragen unbeantwortet
Berlin, 05.12.2012
Der Rentencheck des Bundesverbands der Rentenberater e.V. zeigt deutlich: Alle Volksparteien verschieben die Lösung der Probleme auf später
Der aktuelle Vergleich der Rentenmodelle der Parteien, die der Bundesverband der Rentenberater e.V. am Mittwoch in Berlin vorgelegt hat, macht deutlich, dass die geplanten Maßnahmen der verschiedenen Parteien für die Rente keine tragfähigen Reformen enthalten und an der Lebensrealität der Menschen in Deutschland vorbeigehen. Zwar sind in der „Lebensleistungsrente“ (CDU), „Solidarrente“ (SPD) oder „Garantierente“ (Bündnis 90, Die Grünen) immerhin Mindestrentenmodule verankert, die Kernfrage aber wie künftig die „normalen“ Renten finanziert werden sollen, bleibt unbeantwortet. Darüber hinaus sind die Hürden für die Mindestrente oft unüberwindbar hoch.
„Oft wird überhaupt kein Anspruch auf eine Zuschussrente bestehen, da diese langjährige Zusatzvorsorge und 40 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung voraussetzen. Dass wir das für eine Mogelpackung halten, haben wir ja schon mehrfach gesagt“, betont Martin Reißig, der Präsident des Bundesverbands der Rentenberater e.V. „Die Einführung der Lebensleistungsrente wird zu Mehrbelastungen führen, die von den künftigen Steuerzahlern und auch von den Beitragszahlern finanziert werden müssten.“
Die Finanzmarkt- und Schuldenkrise hat zu einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber kapitalgedeckten Altersvorsorgesystemen geführt. Insbesondere Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen sorgen zu wenig zusätzlich fürs Alter vor. Sowohl CDU als auch SPD setzen weiter auf kapitalgedeckte Vorsorgesysteme, obwohl die Bereitschaft der Deutschen zum Abschluss einer zusätzlichen Altersvorsorge immer weiter sinkt. Rund 42 % der Geringverdiener haben keine private oder betriebliche Vorsorge, zwei Drittel davon sind Frauen. Von 15,5 Mio. gemeldeten Riester-Verträgen werden 18,5 % gar nicht mehr bedient. Weniger als 60% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten verfügten 2011 über einen Betriebsrentenanspruch..
Private Altersvorsorge
jährliche Neuverträge | Betriebsrente | Riesterverträge |
2005 – 2008 | 1.000.000 | |
2009 – 2011 | 277.000 | 1.000.000 |
1 Hj. 2012 | 200.000 |
* aus Alterssicherungsbericht
Sofern Versicherte diese Förderung nutzen, wird im Alter zwar ihr Rentenniveau geringer, das Niveau ihrer Alterseinkünfte aus gesetzlicher Rente und Zusatzvorsorge soll insgesamt aber sogar höher ausfallen als heute.
Beitragssatzsenkung
Der Beitrag zur Rentenversicherung sinkt zum Jahreswechsel von 19,6 auf 18,9 Prozent. Dies führt zu ca. 6 Mrd. € jährlich weniger für die Rentenversicherungskassen.
Einige Mitglieder des Sozialbeirats meinen, ohne diesen Schritt hätte der Satz von 19,6 Prozent bis zum Jahr 2025 gehalten werden können. Mit einer stufenweisen Beitragsanhebung um 0,2 Prozentpunkte je Jahr bis auf 22 Prozent wären erhebliche Leistungsverbesserungen möglich. Dies hat der Bundesverband der Rentenberater e.V. bereits in der Pressemitteilung vom 06.08.2012 ausgeführt.
Dieses Steuerungsinstrument der gesetzlichen Rente wird von fast allen Parteien außer Acht gelassen.
Warum es die notwendigen Reformen nicht gibt:
- Der Anteil der aktuell 20 Mio Rentner an den Wählerstimmen ist hoch.
- Statt Geld für ein zukunftsfähiges System zurückzulegen, soll es hohe Rentenanpassungen geben.
- Statt die gesetzliche Rentenversicherung als solides System zu stärken, wird die Vorsorge auf kapitalgedeckte Systeme verlagert. Mit allen ihren Risiken und Kosten.
- Ein diskutiertes Modell ist die Umstellung des Beitragssystems (in das immer weniger einfließt) auf ein breiteres Steuersystem. Dies wäre jedoch von hohen Umstellungskosten begleitet.
- Diesen schmerzhaften Schritt verschiebt die Politik lieber in die Zukunft. Die aktuell betroffenen Bürger hoffen, das es nicht so schlimm werden wird.
- Die Bemessungsgröße soll weiterhin lohnbezogen bleiben. Bei immer weniger sozialversicherungspflichtigen Personen werden die Einnahmen sinken. Dabei findet heute ein immer höherer Anteil der Wertschöpfung durch Kapital statt.
Die Altersarmut erreicht die Mittelschicht!
Die Finanzmarktkrise des Jahres 2008 hat die Alterssicherung von Millionen Menschen pulverisiert und die europäische Staatsschuldenkrise könnte die gleiche Wirkung haben.
Die Sicherung des bisherigen Rentenniveaus soll aus den bisherigen staatlichen Zuschüssen für die private Altersversorgung und höheren Rentenbeiträgen bezahlt werden, an denen sich die Arbeitgeber wieder zur Hälfte beteiligen sollen.
„Auch hohe Löhne garantieren keine auskömmliche Altersvorsorge. Sie sichern nur die heutigen Renten und erhöhen lediglich die späteren Rentenansprüche – Ansprüche, die völlig wertlos sind, wenn es keine ausreichend große, leistungsfähige und zum Teilen bereite Nachwuchsgeneration gibt.“, sagt der Präsident des Bundesverbands der Rentenberater e.V., Martin Reißig, und fügt hinzu: „Was den Mindestlohn angeht: Selbst 8,50 Euro Mindestlohn reichen bei weitem nicht für eine ausreichende Rente über Grundsicherungsniveau. Die läge aktuell nach 40 Beitragsjahren bei 610,69 Euro.“
Lösungsvorschläge für die gesetzliche Rentenversicherung
- Bessere rentenrechtliche Absicherung von Schul- und Studienzeiten und langer Arbeitslosigkeit
- Wiedereinführung der Mindestbewertung von Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rente. Die Rentenanhebung für Geringverdiener mit mindestens 35 Beitragsjahren wurde 20 Jahre lang praktiziert und erst Ende 1991 abgeschafft.
- Wiedereinführung der Höherversicherung
- Variablere Hinzuverdienstgrenzen für gleitenden Übergang in den Ruhestand