Wie „kaputt“ ist die Rente wirklich?
Aktuelle Schlagzeilen sollen den Eindruck erwecken, als stünde die Rente vor dem finanziellen Kollaps.
Versicherte brauchen verlässliche Perspektiven. Angst vor ‚explodierenden Beiträgen‘ zu schüren, hält der Bundesverband der Rentenberater jedoch für unseriös.
Ökonomen der Bundesbank haben in ihrem aktuellen Monatsbericht Berechnungen zur demografischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vorgelegt. Mit dem Ausstieg der Baby-Boomer aus dem Arbeitsleben werden demnach in den kommenden Jahren weniger Beschäftigte Beiträge in die Rentenkasse einzahlen.
Die kurzsichtige Einschätzung einiger Beobachter: Bundeszuschüsse würden steigen, Beiträge würden in die Höhe schießen, Leistungen müssten gekürzt werden.
„Vermutlich kann man mit solchen Aufreger-Schlagzeilen mehr Zeitungen verkaufen, aber das ist schlicht Panikmache“, sagt Thomas Neumann, der Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater.
„Schon vor 20-30 Jahren wurde der nahe Exitus unseres Rentensystems prophezeit. Hier lohnt mal ein Blick darauf, wie viele von den Vorhersagen eingetreten sind.“
‚Renten-Horror‘ oder ‚kaputte Rente‘ – wie manche Blätter titelten – sind jedenfalls Bezeichnungen, die nach Einschätzung der Rentenexperten mindestens stark übertrieben sind.
Ein Beispiel: Richtig ist, dass der Steuerzuschuss in absoluten Zahlen gestiegen ist. „Gemessen an den Ausgaben des Bundes war der Zuschuss zur Rentenversicherung in 2020 ggü. dem Jahr 2000 jedoch rückläufig.“, so Neumann.
Mit Blick auf künftige Rentenausgaben ist – anders als in manchen Presseberichten dargestellt – eine relative Erhöhung ebenfalls alles andere als zwangsläufig. Von ‚explodierenden‘ Beitragssätzen kann schon gar keine Rede sein. Laut Aging Report der EU-Kommission steigen die Rentenausgaben bis 2045 eher gemäßigt von 10 auf 12 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Richtig ist auf jeden Fall: Je mehr beitragspflichtige Beschäftigte es gibt, desto höher auch das Finanzvolumen der Rentenkasse.
„Deswegen ist es sehr wichtig, mehr Menschen in beitragspflichtige Jobs zu bekommen. Und zwar mit Löhnen und Gehältern, die eine auskömmliche Rente erwirtschaften“, so Neumann. Das würde den Beschäftigten darüber hinaus bessere Möglichkeiten zur ergänzenden Vorsorge bieten. „Hier sehen wir allerdings durchaus Optimierungsbedarf, wie bspw. in der betrieblichen Altersversorgung“, betont Neumann.
Daneben stehen wichtige Reformvorhaben an, wie die Einbeziehung von Selbstständigen und ggf. weiteren Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung. Hier muss die Ampel liefern, was die Vorgänger-Koalition liegen gelassen hat.
All das zeigt: Die Rente ist mitnichten kaputt und es gibt andere Einflussfaktoren als die Beitragshöhe. Deutschland als Arbeitsmarkt noch attraktiver zu machen und international Arbeitskräfte zu rekrutieren, hätte ebenfalls positiven Einfluss auf die Zukunft der Rente.
Übrigens:
Mit das wichtigste Kennzeichen der starken deutschen Rente ist aktuell besonders relevant: Die gesetzliche Rente ist an die Lohnentwicklung gekoppelt und somit quasi automatisch besser gegen Inflation gewappnet als andere Vorsorgeformen.